Art Langer erwartet „Merged Reality“
6G-Euphorie – obwohl 5G noch klemmt
Die Verbreitung des aktuellen Mobilfunkstandards 5G verläuft bekanntlich zäh. Zwar liegt die Netzabdeckung hierzulande laut Bundesnetzagentur bei stolzen 92,5 Prozent, doch noch nutzen die wenigsten Menschen und Unternehmen den Standard in der Breite. 5G-fähige Smartphones gibt es zwar, aber sie sind teuer und noch wenig verbreitet, zumal die Telcos nur selten akzeptable Tarife bieten. Erschwerend hinzu kommt die Anfälligkeit der Netze für Malware-Attacken sowie die Skepsis vieler Menschen, die sich vor der intensiveren Mobilfunkstrahlung fürchten.
Obwohl Deutschland und weite Teile der Industrieländer also noch nicht im 5G-Zeitalter angekommen sind, nutzte Professor Arthur Langer das Forum von „CIOmatch“ auf der Hannover Messe, um schon mal einen Blick auf die ab 2030 zu erwartende nächste Mobilfunkgeneration 6G zu werfen. Der Leiter des Center for Technology Management and Digital Leadership an der Northeastern University in New York sagte, bei all seinen Vorzügen könne mit 5G das Wichtigste nicht erreicht werden: ein völlig neues „Design der Systemarchitekturen“.
Physische und virtuelle Welt verschmelzen
Genau das sei aber das Entscheidende am kommenden 6G-Mobilfunkstandard: Es werde keine physikalischen Einschränkungen bei den Netzinfrastrukturen mehr geben. Globale Netzwerke, die mit mächtigen Anwendungen und Massendaten spielend fertig würden, seien dann realistisch. „6G wird designt, um eine ‚Seamless Reality‘ zu schaffen“, sagte Langer vor den rund 60 anwesenden CIOs. Die Zusammenführung von physischen und virtuellen Welten werde Wirklichkeit.
Mit global verbundenen 6G-Netzen entstehe ein eigenständiges Ökosystem für künstliche Intelligenz. Eine drahtlose Kommunikation, die ohne Einschränkungen und „instant“ funktionieren werde, bestimme dann den Alltag. Auch sei ein im Vergleich zu 5G reduzierter Energieverbrauch zu erwarten, so dass der ökologische Footprint kleiner werde. Last, but not least würden die Management- und Kontrollfunktionen stark verbessert.
Vision: „Menschenfreundlichere Gesellschaft“
Langer entwarf das Bild einer „Merged Reality“, in der Menschen und Maschinen rund um den Globus in einer immersiven Art verbunden seien und miteinander kommunizierten. Er verglich die zu erwartende User Experience mit dem „Holodeck“ aus den Star-Trek-Filmen, in denen virtuelle Realitäten mittels Holografie und Replikatoren-Technik simuliert und nahtlos in die reale Welt integriert werden. Der Wissenschaftler schloss mit den Worten: „Es besteht die Hoffnung, dass 6G dank fortgeschrittener Software und Kommunikationsmöglichkeiten zu einer menschenfreundlicheren und effizienteren Gesellschaft beitragen wird.“
Langer hatte einen Nerv der anwesenden CIOs getroffen, wie eine sich anschließende Frage-und-Antwort-Session zeigte. Darin überwog durchaus Skepsis, zumal die bisherige Bilanz des einst ähnlich angepriesenen 5G-Standards bislang nicht überzeugend ausfällt. Der anhaltende Applaus zeigte aber, dass viele CIOs bei den visionären Entwürfen Langers durchaus mitgehen. Zweifel bestehen, wenn es um die Zeitachse geht: Bis 2030 dürfte die Star-Trek-Zukunft wohl kaum Realität werden.
Prof. Arthur Langer von der Northeastern University erwartet ein Zusammenwachsen von physischer und digitaler Welt. (Foto: David Ausserhofer/CIOmatch)